„Low-Hanging Fruits“ pflücken – bevor ein LMS eingeführt wird
Die Einführung eines Learning Management Systems (LMS) löst nicht automatisch bestehende Probleme – im Gegenteil: Wer den Überblick über seine Trainingsmaterialien verloren hat, wird durch ein LMS nicht plötzlich Ordnung schaffen. Und wer keine verpflichtenden Lernprozesse etabliert hat, wird Schwierigkeiten haben, die Lernkultur von heute auf morgen zu verändern.
Oft wird übersehen: Ein großartiges Werkzeug macht noch keinen großartigen Künstler. Oder anders gesagt: Ein LMS garantiert keine inspirierende Lernkultur.
Oft wird übersehen: Ein großartiges Werkzeug macht noch keinen großartigen Künstler.
Eine sinnvolle Vorbereitung auf die Einführung eines LMS besteht darin, bestehende Plattformen, Checklisten und Prozesse aufzuräumen und so zu gestalten, dass sie später 1:1 ins LMS übernommen werden können.
Im Folgenden zeige ich einen Weg, wie man mit geringem oder gar keinem Budget einen hohen Nutzen für Lernende schaffen kann – das Geheimnis liegt im „Pflücken der Low-Hanging Fruits“.
Hoher Nutzen bei geringem Aufwand: Klein anfangen, groß denken
Gerade in großen Unternehmen geht oft die Fähigkeit verloren, klein zu starten: Übertriebene Projektplanung, komplexe Abstimmungsprozesse und der Versuch, jede Abteilung zufriedenzustellen, bremsen innovative Ideen aus.
Als ich vor einigen Jahren ein globales Knowledge-Transfer-Projekt startete, hatte ich weder Budget noch Ressourcen. Mir war klar: Bevor ich etwas bewilligt bekomme, muss ich mit dem arbeiten, was da ist – „Liebe, was ist“.
Wenn du vor einem Baum mit den süßesten Kirschen stehst, aber keine Leiter hast, bringt Jammern nichts. Also: Warum nicht erst die erreichbaren Früchte pflücken, bevor jemand mit einer Leiter kommt?
„Eine gute Einstiegsfrage lautet:
Wie kann ich mit begrenzten oder keinen Ressourcen einen hohen Nutzen für meine Zielgruppe schaffen?““
Aufräumen als erster Schritt – inspiriert von 5S
Nach dem japanischen 5S-Prinzip aus der Lean-Produktion ist das Aufräumen bestehender Lernressourcen ein sinnvoller Anfang. Nachfolgendes Bild soll das verdeutlichen. Alle Lernmaterialien werden zunächst gesammelt. Die “angeknabberten” Ecken der Formen sollen verdeutlichen: Die Lernressourcen sind nicht immer aktuell oder unvollständig:
Viele Menschen kommen mit unperfektem Lernmaterial zurecht. Was jedoch wirklich frustrierend ist: Wenn man Inhalte nicht findet, weil sie über viele Plattformen verstreut oder nicht zugänglich sind. Deshalb empfehle ich – ganz im Sinne der „Low-Hanging Fruits“:
Alle verfügbaren Trainingsmaterialien und Wissensressourcen auf einer bestehenden Plattform bündeln (z. B. zentraler Dateiserver, SharePoint, Intranet). Offensichtlich veraltetes Material aussortieren – aber nicht zu viel Zeit investieren.
Falls die Plattform verschiedene Dateiformate nicht unterstützt oder ein Umzug nicht möglich ist: Eine zentrale Linkliste erstellen, die zu den jeweiligen Plattformen mit Lerninhalten führt.
Denke in „Quick Wins“: Was lässt sich mit wenig Aufwand umsetzen und hat große Wirkung für die Lernenden? Kann z.B. bereits eine einheitliche Beschriftung der Dateinamen eine große Wirkung haben?
Die noch unvollständigen Lernressourcen werden auf einer zentralen Plattform sichtbar und damit für alle verfügbar gemacht.
Standards für neue Inhalte definieren
Sind die Materialien erst einmal geordnet und zentral verfügbar, sollten einfache Standards für dazukommende Materialien festgelegt werden. 
Hier ein paar Ideen:
PowerPoint-Präsentationen sollten maximal X Folien enthalten.
Deckblätter müssen Thema, Fachbereich, Erstellungsdatum und Verantwortliche enthalten.
Webinar-Aufzeichnungen sollten nicht länger als X Minuten sein, mindestens X Fragen an das Publikum enthalten und eine herunterladbare Präsentation bieten.
Schon kleine Maßnahmen wie diese zeigen: Der Wind der Veränderung beginnt zu wehen!
Orientierung für neue Mitarbeitende schaffen
Die bis hier beschriebenen Schritte sind für bestehende Mitarbeiter schon sehr hilfreich. Doch neue Mitarbeitende stehen oft vor einem Berg an Informationen. Wo ist der Pfad durch den Dschungel? Womit soll ich mich zuerst beschäftigen? Wo finde ich Grundlagen? Wo Detailinformationen für später?
Die Antwort: Die Lerninhalte in eine Reihenfolge bringen:
Lasse neue Kollegen wissen, was Basiswissen ist, was fortgeschrittenes Wissen ist und was sie wahrscheinlich nie brauchen (aber wissen sollten, wo es zu finden ist). Das kannst Du machen mit einer…
Trainings-Checkliste für neue Mitarbeitende
Erstelle eine einfache Excel-Checkliste mit Links zu Videos, Datenbanken, Inhalten auf der Website oder im Intranet – kurz: zu allem, was in den ersten Wochen und Monaten Orientierung bietet:
Unternehmen
Fachbereiche
Produkte
Anwendungen
Vertriebstools
Technologien
Je nach Unternehmensgröße können mehrere Checklisten sinnvoll sein:
Checkliste für HR-Themen
Checkliste für globale Inhalte
Checkliste für Team-spezifische Inhalte
Mit Checklisten lässt sich Lerninhalt leicht verpflichtend machen: Einfach ins Onboarding integrieren und sicherstellen, dass ausgefüllte Listen an eine zentrale Stelle zurückgesendet werden. Feedback der neuen Mitarbeitenden hilft, die Listen kontinuierlich zu verbessern.
Hoch hängende Früchte ernten: Eine neue Lernkultur etablieren
Nach dem Pflücken der „Low-Hanging Fruits“ folgen die nächsten Schritte – sie erfordern mehr Aufwand, sind aber essenziell:
Trainings evaluieren: Ob im Peer-Gespräch, durch den Vorgesetzten oder mit einem Test – finde eine Methode, die zu Deiner Unternehmenskultur passt:
Und jetzt kommt die Königsdisziplin:
Einzelne Trainings zu Lernpfaden oder Curricula kombinieren:
Hier kommt das LMS ins Spiel: Es verwaltet Kurse und Curricula effizient. Wer die vorherigen Schritte gegangen ist, kann ein LMS problemlos einführen. Ich empfehle den Einstieg nach Schritt 4.
Abschließender Gedanke: Das große Ganze im Blick behalten
Vor dem Start eines globalen Lernprojekts hilft ein klarer Fahrplan. Die oben skizzierte Projektlandkarte war für mich über vier Jahre ein wertvoller Referenzpunkt.
Klein anfangen. Groß denken. Und die süßesten Kirschen pflücken – solange sie erreichbar sind.